Francis Büchler

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Maturarbeit «Welche Schwierigkeiten haben jugendliche Betroffene mit Vitiligo?»

 

Interview mit Francis Büchler

 

Francis Büchler (17) untersucht in seiner Maturarbeit die Schwierigkeiten und Herausforderungen von Jugendlichen mit Vitiligo. Er leidet seit seinem 11. Lebensjahr an der Hautkrankheit. Mit seiner Arbeit will er jungen Betroffenen eine Stimme geben und Sichtbarkeit vermitteln, um der Stigmatisierung entgegenzuwirken.

 

Warum wählten Sie dieses Thema für Ihre Maturarbeit?
Das Thema betrifft mich persönlich, und es gibt einen wichtigen Grund darüber zu schreiben: Die psychosozialen Auswirkungen von Vitiligo auf Jugendliche werden meiner Meinung nach zu wenig thematisiert. Mit meiner Arbeit will ich die Schwierigkeiten und Herausforderungen von jugendlichen Betroffenen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen.


Welche Schwierigkeiten und Herausforderungen meinen Sie?
Ich spreche von den psychischen Auswirkungen. Als ich mit 11 Jahren meine Diagnose erhielt, war ich einerseits erleichtert, weil ich wusste, was ich habe; andererseits hätte ich mir erhofft, dass man mich beispielsweise über psychologische Unterstützung aufklärt, sollte ich diese in Anspruch nehmen wollen. Die Hänseleien in der Schule oder schiefen Blicke in der «Badi» hielten sich zwar in Grenzen, aber als Teenager oder in der Pubertät sorgt die eigene Andersartigkeit für zusätzliche Unsicherheit. Dafür sollten Ärztinnen und Ärzte sensibilisiert sein.


Wie sehr prägt Vitiligo Ihren Alltag?
Mit 11 Jahren prägte das Thema meinen Alltag mehr als heute. Durch die Diagnose hatten meine Eltern anfangs Angst um mich, und ich musste beispielsweise viel Sonnencrème auftragen. Wir haben auch mehrere Therapien ausprobiert: In lebhafter Erinnerung bleibt mir ein Tee aus der chinesischen Medizin, den ich frühmorgens vor der Schule trinken musste. Erstens schmeckte er mir nicht und zweitens musste mich meine Mutter jeweils um 06.00 Uhr wecken. Danach durfte ich nochmals eineinhalb Stunden schlafen. Dies passte nicht in meine Routine.
Ein anderer Ansatz war, dreimal pro Woche zur Lichttherapie zu gehen. Dies finde ich eher kontraproduktiv, weil die Vitiligo dadurch einen zu grossen Stellenwert im Alltag einnimmt. Zudem musste ich eine Crème mit dem Wirkstoff Tacrolimus auftragen. Meine Eltern haben mir immer die Wahl gelassen, welche Therapie ich machen will.

Heute verzichte ich grösstenteils auf Behandlungen, da ich meine Haut akzeptiert habe und mich die Behandlungen mehr belasten als die eigentliche Krankheit. Die Crème trage ich jeweils nur noch abends im Gesicht auf, da diese Behandlung gut in meine Routine passt.


Litten Sie während der Schulzeit oder leiden Sie unter Ihrer Erkrankung?
In der Primarschule wurde ich vereinzelte Male gehänselt, weil ich mineralische Sonnencrème trug, die gut sichtbar war. Genervt haben mich auch die Seitenblicke von Kindern in der «Badi». Im Sommer sind die weissen Flecken sichtbarer, weil meine Haut rundherum gebräunt ist. Das stört mich an gewissen Stellen heute noch.


Was setzt Ihnen punkto Stigmatisierung am meisten zu?
Offene Ausgrenzung habe ich nie erfahren. Hänseleien und doofe Sprüche gab es nur selten. Meine Herausforderung liegt insbesondere darin, dass meine Haut nicht der «Norm» entspricht und dass ich dadurch auffalle.


Wie gehen Sie damit um? Oder wie wehren Sie sich?
In der Primarschule ignorierte ich die Sprüche der älteren Schüler. Inzwischen bemerke ich die Blicke in der «Badi» nicht mehr.  Heute betrachte ich Vitiligo als einen Teil von mir. Andere Menschen leiden vielleicht unter ihrer grossen Nase. Entweder sie unterziehen sich einer Operation, um der Norm zu entsprechen oder sie akzeptieren ihre Nase und sehen sie als Teil von sich. Meine Vitiligo gehört zu mir.  Meine Freunde bemerken sie gar nicht mehr.


Was raten Sie anderen betroffenen Kindern und Jugendlichen?
Vitiligo macht dich nicht aus. Vitiligo ist nur ein Teil von dir. Diese Akzeptanz ist enorm wichtig, um mit der Diagnose umgehen zu können.


Wie können Schule und Gesellschaft junge Vitiligo-Betroffene unterstützen?
Sichtbarkeit und Öffentlichkeitsarbeit sind wichtige Aspekte. Wahrscheinlich wurden die meisten Menschen mit Vitiligo schon einmal nach den Flecken auf ihrer Haut gefragt. Wenn die Gesellschaft besser über die Krankheit aufgeklärt wäre, würden Betroffene weniger mit dieser Frage konfrontiert.

 
Wer hat Sie unterstützt? Und wie?
Meine Eltern haben mir nie vermittelt, dass Vitiligo etwas ist, was mich weniger attraktiv macht. Dadurch habe ich vor allem in jungen Jahren, wo ich noch mehr auf die Meinung meiner Eltern vertraut habe, Sicherheit gekriegt.
Das ärztliche Fachpersonal hat mich in der Behandlung gut unterstützt. Wie ich mit meiner Krankheit umgehe, musste ich jedoch selbst lernen. Tipps im Umgang damit hätte ich gerne erhalten.

 

Kennen Sie die Angebote der SPVG?
Meine Eltern haben viel recherchiert über Vitiligo. Ich nicht. Jetzt recherchiere ich mehr aufgrund meiner Arbeit. Die SPVG hat eine gute Website, um sich zu informieren. Die Erfahrungsberichte waren etwas Neues für mich. Es ist schön zu sehen, wie auch andere Menschen ihre Krankheit akzeptieren. Es bestärkt einen auf dem Weg zur Akzeptanz.
Wie kann die SPVG junge Betroffene abholen und besser unterstützen?
Durch mehr Öffentlichkeitsarbeit in Form von Erfahrungsberichten, Vorträgen, etc.

 

Zur Maturarbeit von Francis Büchler


Haben sich Jugendliche oder Erwachsene, die über ihre Kindheitserfahrungen
berichten wollen, bei Ihnen gemeldet? Falls ja, wie viele?

Bis jetzt hat sich eine Person auf den LinkedIn-Post der SPVG gemeldet. Der Aufruf geschah aber zusätzlich zu persönlichen Kontakten, die ich teils über meine Ärztin, teils durch Bekanntschaften gemacht habe. Ich bin weiterhin auf der Suche nach Interviewpartner: innen.

 

Sind beide Geschlechter vertreten?
Ich erhoffe mir, wenn möglich zwei männliche und zwei weibliche Gesprächspartner:innen zu interviewen.


Was wollen Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
Die Maturarbeiten werden vom gleichen Jahrgang und den Jahrgängen darunter gelesen. Zusätzlich schauen sich Eltern die Präsentationen an. Das bringt die Sichtbarkeit, die ich enorm wichtig finde. Jugendliche Betroffene mit Vitiligo sollen eine Stimme erhalten, um über ihre Erlebnisse sprechen zu können.


Haben Sie bereits mit der Befragung begonnen? Falls ja, konnten Sie erste Erkenntnisse gewinnen? Wollen Sie diese mit uns teilen?
Ich bin gerade in der Recherche-Phase und stelle fest, dass die psychosozialen Folgen von Vitiligo nicht zu unterschätzen sind. Dazu habe ich einige Studien gefunden. Dies motiviert mich umso mehr, meine Arbeit zu verfassen. Gerne teile ich die Resultate mit Ihnen, sobald die Arbeit am 21. Dezember 2024 fertiggestellt ist.

Jugendliche Interviewpartner:innen mit Vitiligo gesucht!
Francis Büchler sucht weiterhin Gesprächspartner:innen für seine Maturarbeit, die mit ihm über ihre Erlebnisse sprechen möchten. Interessierte melden sich bitte direkt per Mail bei ihm: interview.vitiligo@hotmail.com