«Lernt Selbstliebe und sucht Gleichgesinnte!»

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Interview mit Nicole Weisswange zu Vitiligo und ihrem Blog «Lila Karotte», wo sie über Veganismus, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit berichtet

 

Wie alt warst du, als du die ersten weissen Flecken entdeckt hast? Und wie hast du dich gefühlt?
Nicole Weisswange: Die ersten Flecken traten nach einem grippalen Infekt Anfang 2020 auf. Da war ich 34 Jahre alt.


Wie hat dein Umfeld reagiert?
Sehr unterschiedlich. Von keiner Reaktion bis auf eher unsensible Fragen wie: «Was hast du denn da neuerdings im Gesicht?»


Hast du eine Vermutung, was die Vitiligo ausgelöst haben könnte?
Ja, rückblickend vermute ich, dass ich durch den grippalen Infekt Anfang 2020 einen Ausbruch respektive eine Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus (EBV) hatte. Ich hatte mich 2005 mit dem EBV infiziert und von da an etwa ein halbes Jahr mit dem Pfeifferischen Drüsenfieber zu kämpfen.


Hat sich nach Ausbruch der Erkrankung etwas in deinem Leben verändert?
Ja, ziemlich viel. Durch die weissen Flecken wurde mir sehr viel Selbstsicherheit und Selbstvertrauen genommen. Plötzlich machte sich grosse Unsicherheit breit. Durch meine dunkle Hautfarbe bin ich es als «Person of Colour» zwar gewohnt, dass manche Menschen mich anstarren, aber dies war trotzdem neu für mich. Anfangs, als ich mit der Vitiligo-Thematik noch nicht so vertraut war und nur wenige Hintergrundinformationen dazu hatte, war ich auch oft unsicher, wie ich mit anderen Menschen darüber sprechen soll.


Als Bloggerin bist du exponierter als andere Betroffene, obschon die Vitiligo auf deinem Blog «Lila Karotte» kaum Thema ist. Hast du sie jemals versteckt?
Klar, anfangs habe ich versucht, die ersten Flecken am Kinn mit Make-up abzudecken. Gerade im Gesicht sind die weissen Flecken halt sehr präsent. Ich habe aber schnell gemerkt, dass das keine langfristige Lösung ist und ich mich anders mit der Veränderung arrangieren muss. Schritt für Schritt lernte ich dann, mit den Flecken umzugehen und sie zu akzeptieren.


«Lila Karotte» ist in erster Linie ein Nachhaltigkeitsblog für Themen wie Nachhaltigkeit im Alltag, Ernährung etc. Durch die Erkrankung habe ich mich dann immer mehr auch gesundheitlichen Themen gewidmet – jedoch eher auf Social Media als auf dem Blog. Mittlerweile ist das Thema Selbstliebe und Selbstakzeptanz fester Bestandteil meines Instagram-Accounts @lila.karotte.  

 

Was empfiehlst du anderen betroffenen jungen Mädchen und Buben?
Setzt euch mit dem Thema Vitiligo auseinander. Sucht euch Hilfe, versucht die Ursache dafür zu finden, um besser damit umgehen zu können. Sprecht offen darüber, auch über Unsicherheiten und die Veränderungen. Diversität ist zurzeit ein grosses Thema. Versucht, euch so anzunehmen, wie ihr seid. Lernt Selbstliebe und sucht Gleichgesinnte.


Wo hast du Gleichgesinnte gefunden?
Ich bin bei meinen Recherchen im Internet unter anderem auf die SPVG gestossen und habe mich bei euch gemeldet, aber zurzeit von Corona fanden leider keine Selbsthilfegruppen-Treffen statt. Da habe ich mich anderweitig informiert und bin auf interessante Facebook- und Instagram-Gruppen gestossen, wo ich viel über Vitiligo erfahren habe. Aber das Wichtigste war, zu merken, dass ich nicht allein bin. Das hat mir bereits geholfen. Zudem hatte mir mein Dermatologe erzählt, dass einige seiner dunkelhäutigen Patientinnen und Patienten die Vitiligo zu ihrem Markenzeichen gemacht hätten. Das hat mich beeindruckt.


Hast du die Vitiligo behandeln lassen?
Ja, ich habe mich 2020 und 2021 fast ein Jahr lang einer Lichttherapie unterzogen und eine Therapie bei einer Naturheilärztin begonnen, wo unter anderem eine Darmsanierung gemacht wurde. Das hat mir geholfen. Die Flecken an meinem Hals haben sich sogar repigmentiert. Nun weiss ich zwar nicht genau, was es schliesslich war, die Lichttherapie oder die alternative Behandlung, aber ich bin überzeugt, dass eine gute Ernährung die Gesundheit der Haut unterstützt. Aber heute lebe ich generell gut mit meiner Vitiligo und habe sie akzeptiert.


Du setzt dich stark für eine pflanzliche Ernährung ein. Was bedeutet dir Veganismus?
Veganismus ist ein fester Bestandteil meines Lebens und eine Lebensweise. Veganismus geht für mich über die reine Ernährungsform hinaus: Er bedeutet für mich Liebe und Wertschätzung auf allen Ebenen – also für Tiere, die Natur, die Umwelt und meine Mitmenschen. Es bedeutet, dass man Verantwortung für die Umwelt übernimmt und es einem ernst ist, beispielsweise mit der Ernährung, einen Beitrag zu leisten.


Und wirkt sich die vegane Ernährung auch positiv auf deine Vitiligo aus?
Ich bin überzeugt, dass sich eine gesunde Ernährung auf viele Krankheiten positiv auswirkt, und auch eine gewisse innerliche und äusserliche Heilung stattfinden kann. Jedoch muss jedem bewusst sein, dass es nicht die alleinige Heilmethode ist.


Hast du zurzeit ein Lieblingsgericht?
Ich achte darauf, möglichst saisonal und lokal zu kochen – daher stehen im Moment vor allem Kürbis- und Pilzgerichte auf dem Menüplan. Auch «Spätzli» gehen immer, die passen zudem gut zu Kürbis und Pilzen. Ansonsten darf in unserem Kühlschrank Räuchertofu und Hafermilch nicht fehlen!


In deinem Blog geht es um Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und Gesundheit. Warum liegen dir diese Themen am Herzen?
Ich möchte etwas bewirken, Vorbild für meine Kinder sein und etwas Gutes für die Welt und mein Umfeld tun. Nachhaltigkeit sollte uns alle etwas angehen, denn wir haben es in der Hand, wie wir mit unserer Erde umgehen und wie wir sie hinterlassen.


Was für eine Welt wünschst du dir für deine Kinder?
Eine buntere und friedvollere Welt als sie aktuell ist. Ich wünsche mir, dass meine Kinder einen wertschätzenden Umgang mit der Erde lernen und weitergeben können.